Corona-Schock als Weckruf – auch bei der Medikamentenversorgung

 In Allgemein

Gerade in der aktuellen Corona-Krise zeigt sich der Stellenwert der Versorgungssicherheit mit Medikamenten. Das Thema hat bei der vips aber nicht erst seit Covid-19 oberste Priorität. Schon länger beobachten wir die Entwicklungen mit grosser Sorge, denn eine undifferenzierte Preisregulierung, die dazu führt, dass Basismedikamente nicht mehr verfügbar sind, ist für Patienten und das Gesundheitssystem kontraproduktiv.

Für die Vereinigung Pharmafirmen in der Schweiz, kurz vips, ist klar – die Leidtragenden von Lieferengpässen bei Medikamenten sind die Patienten, weil ihre Therapien und Heilungschancen gefährdet sind. Das Wohl der Patienten steht auf dem Spiel.

Produktionsverlagerungen ins Ausland
Der Corona-Schock zeigt, dass Globalisierung und Tiefpreispolitik erhebliche Risiken in sich bergen. Es darf nicht sein, dass eine zunehmende Regulierungsdichte hier ansässige Firmen dazu zwingt, ihre Produktionen ins Ausland zu verlagern, um Kosten zu sparen und den Preisregulierungen gerecht zu werden. Krisen wie das Corona-Virus legen zentrale Medikamentenproduktionen lahm und als Folge kann die zunehmende Nachfrage nach Wirkstoffen und Endprodukten hierzulande nicht mehr gedeckt werden. Nur mit einer smarten, geschickten Regulierung lässt sich eine lückenlose Versorgung sicherstellen – hier ist die Politik gefordert, aus der Krise zu lernen. Preissenkungen bei Medikamenten für die Grundversorgung dürfen nicht so weit gehen, dass die Produkte in der Schweiz aus Rentabilitätsgründen nicht mehr verfügbar sind. Sonst laufen wir gerade in gesundheitlichen Krisen wie Corona in gefährliche Engpässe hinein. Lebenswichtige Medikamente werden knapp und Dauertherapien müssen rationiert werden. Die entstehenden direkten und indirekten Kosten übersteigen die Einsparungen um ein Vielfaches.

Pharma als Hoffnungsträgerin
Die Pharmaindustrie hat einen wichtigen gesellschaftlichen Auftrag in der Bekämpfung der Pandemie. Während Spitalbetten und Ärzte immer an Grenzen stossen, sind Medikamente skalierbar. Das heisst, Tabletten können quasi in beliebiger Menge zur Verfügung gestellt werden – für die ganze Bevölkerung, gleichzeitig und günstig. Die Pharmaindustrie arbeitet unter Hochdruck, um rasch und unbürokratisch Corona-Medikamente und Impfstoffe zu entwickeln und zugänglich zu machen. Damit die Industrie ihrer Verantwortung gerecht werden kann, darf es jedoch keine Störungen in der Produktlieferkette geben. Bei den Antibiotika deckt die Corona-Krise die Versäumnisse der Vergangenheit schonungslos auf. Antibiotika können zwar nichts gegen Viren wie Covid-19 ausrichten, sie helfen aber gegen bakterielle Superinfekte im Zuge der Corona-Erkrankung. Zu weit führende Regulierungen haben auch in diesem Bereich bereits heute massive Auswirkungen auf das Gesundheitssystem.

Durch neue Vorgaben und Preissenkungsmassnahmen hat die Pharmaindustrie in den letzten Jahren rund eine Milliarde Franken eingespart. So etwas geht nicht spurlos an den Firmen vorbei und wirkt sich negativ auf die Versorgungssicherheit aus. Bereits heute fehlen über 600 Medikamente in der Schweiz.

Kostendämpfende Wirkung der Medikamente
Uns ist wichtig, dass das Gesundheitssystem nicht nur umfassend zugänglich, sondern auch bezahlbar bleibt. Es versteht sich aber von selbst, dass die Produktion und das Handling in der Schweiz teurer sind als im Ausland, was sich wiederum im Preis wiederspiegelt. Daher braucht es eine ganzheitliche volkswirtschaftliche Betrachtung der Therapiekosten, um auch in Zukunft ein Gesundheitssystem im Sinne der Patientinnen und Patienten aufrechterhalten zu können. Medikamente haben eine äusserst nützliche kostendämpfende Wirkung im Gesundheitssystem – eben, weil sie skalierbar sind. Im Vergleich zu anderen teuren Therapien oder Operationen sind sie häufig die günstigste Behandlungsmethode und leisten einen wichtigen Beitrag zu tragbaren Gesundheitskosten.

Es ist fünf vor zwölf – ein Umdenken ist notwendig
Wir alle sind in der aktuellen Krise stark gefordert. Die Schweiz läuft in eine Rezession hinein. Es ist alles zu unternehmen, um den volkswirtschaftlichen Schaden in Grenzen zu halten. Arbeitsplätze müssen in der Schweiz erhalten und wenn immer möglich neue geschaffen werden. Fachkräfte sind auch künftig im Inland auszubilden – ein zentrales Element für den längerfristigen Erfolg der Pharmaindustrie. Zur Stärkung des Standortes und Gewährleistung der Versorgungssicherheit muss der Wettbewerb – im Sinne von mehr Anbietern und mehr Produkten – gefördert werden. Über allem steht die Sicherung der Produktion in der Schweiz. Der weitere Wegzug der Produktion ist klar zu verhindern. Damit kann die Abhängigkeit vom Ausland als Akutmassnahme verringert werden. Weitere Schritte müssen jedoch folgen. Hier in der Übersicht einige Handlungsempfehlungen, wie dies zu erreichen ist:

  • Aussetzen der 3-Jahresüberprüfungen, damit die versorgungskritischen Produkte nicht unter die Rentabilitätsgrenze fallen. Produkte dürfen nicht zu tiefpreisig sein, um in der Schweiz verkauft oder geschweige denn produziert zu werden.
  • Die laufenden Kostendämpfungspakete sind mit den Erkenntnissen aus der Corona-Krise neu zu überprüfen. Das geplante Referenzpreissystem als Treiber von Versorgungslücken ist zu eliminieren.
  • Reduktion der Gebühren bei Swissmedic und BAG, um die Grundversorgung nicht noch mehr zu gefährden
  • Verfahren der vereinfachten Zulassungen (Art 13 und 14 HMG) sind so anzupassen, dass sie bei Firmen weniger Aufwand und Kosten verursachen und damit an Attraktivität gewinnen. Eine solche Effizienzsteigerung hilft Behörden und Industrie.
  • Kosten, die durch ein Pflichtlager entstehen, sind vom Bund und nicht von der Industrie zu übernehmen. Hier ist ein Paradigmenwechsel dringend notwendig.
  • Bestehende und neue Regulierungen, die zu höheren Kosten in der Produktion oder einer Einschränkung der Verfügbarkeit führen, sind nur bei absoluter Notwendigkeit umzusetzen (z.B. bei nachgewiesenen Sicherheitsproblemen).
  • Preiserhöhungen bei SL Produkten müssen einfacher möglich sein.
  • Bei der Preisbildung ist die Kaufkraft der Schweiz zu berücksichtigen, was uns in der Krise viel mehr Flexibilität gibt und zusätzliche Firmen motiviert, in der Schweiz zu investieren.

Die vips steht hinter sämtlichen Massnahmen, die eine Vereinfachung der Regulierungen mit sich bringen und positive Anreizsysteme schaffen. Die Versorgungssicherheit lässt sich nicht gesetzlich verordnen, es braucht wirtschaftliche Anreize im Gesundheitssystem. Korrigieren wir jetzt die vielen Fehler, die bereits gemacht wurden und nehmen wir das Krisenerlebnis als Erfahrung an – im Sinne eines Learnings, um für die Zukunft gewappnet zu sein und die kommende Rezession besser zu meistern.

Weitere Informationen
Marcel Plattner, Präsident, 079 469 92 68
Ernst Niemack, Geschäftsführer, 078 646 80 30