OTX WORLD Nr. 162, Bericht zur Generalversammlung 2019
EIN NACHMITTAG MIT GEIGENSPIEL
Vips im Aufwind: An der Generalversammlung 2019 der Vereinigung Pharmafirmen in der Schweiz konnte ein erfreulicher Zuwachs von Mitgliedern um 15 Prozent vermeldet werden. «Damit bleibt vips der mitgliederstärkste Pharmaverband der Schweiz», konnte Präsident Marcel Plattner vermelden. Aber es gab auch andere Töne. Text: Hans Wirz
Offenbar ist Zusammenrücken angesagt? Jeden falls brauche es in Zukunft «mehr Offenheit der Akteure, um die Versorgung und die Qualität zu sichern und die Patientengesundheit zu verbes- sern.» Auch mehr Wettbewerb, aber weniger «Silodenken» wäre zu wünschen, so der Vorsitzende.
Den Mitgliedern aus dem Herzen gesprochen
Ständerat Damian Müller (FDP) sprach sich in seinem Referat für mehr freiheitliche Leitplanken zugunsten der Gesundheit, der Patienten und der Pharma aus. Und verwies wiederholt auf den volkswirtschaftlichen Nutzen für das Land. Er bedauert, dass in den Medien und in der Politik vorwiegend die Kosten ein Thema sind, statt die Nutzen. Allerdings sei die Bevölkerung zufrieden mit unserem leistungsfähigen System: «Alle haben raschen Zugang zu den modernsten Mitteln.» Er sieht trotzdem etliche grössere Herausforderungen: Die Eigenverantwortung müsse gestärkt werden; es brauche mehr Qualität dank mehr Wettbewerb, Innovationen sollten gezielt gefördert werden und die Digitalisierung löse Ängste aus, die zu bekämpfen seien. Preis und Nutzen sollen übereinstimmen. Sein Aufruf: Die Pharmahersteller könnten viel aktiver und positiver agieren – sowohl in der Politik als auch in der Öffentlichkeit. Das jedenfalls hat der Berichterstatter herausgehört.
Pharmaunternehmen als Orchester?
Szenenwechsel. Auftritt von Christian Gansch, bekannter Dirigent, ehemaliger Konzertmeister in Wien, international unterwegs, als Musikproduzent und Coach. Es ist ja heute nicht mehr selten, dass erfolgreiche Künstler und Sportler ihre Erfahrungen und ihr Wissen mit Managern der Wirtschaft teilen. Das hat seinen Reiz und seine Chancen; so begrüsste das Publikum denn auch Christian Gansch in gespannter Vorfreude – und wurde nicht enttäuscht: Musik donnerte durch den Saal, der Maestro zeigte sich von seiner lebhaftesten Seite, war aber auch sehr subtil und lüftete einige Geheimnisse. Kurzum: Die Show war sowohl nützlich als auch unterhaltsam.
Der Teamgedanke
Musik sei für Menschen mehrheitlich eine emotionale Sache, so Christian Gansch. Orchestermitglieder und Dirigent sehen das andersrum. Für sie stehen nicht Gefühle im Vordergrund, sondern Disziplin und harte Arbeit. «Orchesterarbeit ist kein Töpferkurs», so der Dirigent. Und weist darauf hin, das Team der Philharmonie Wien beschäftige rund 950 Spezialisten vor und hinter den Kulissen. «Team», das lässt Geschäftleute aufhorchen. Tatsächlich ist nicht nur die «Gesamtorganisation Philharmonie» ein Team, sondern «sogar das Orchester hat verschiedene Unterabteilungen: erste und zweite Violine, Viola, Klarinette Fagott, Flöte, Oboe, und so weiter.» Alle diese Spezialisten-Teams müssen – neben den eigenen – gleichzeitig die «berechtigten Anliegen» der Mitspieler berücksichtigen. Speziell auf diesen Punkt konzentriere sich der Dirigent: Dass sich in der Gesamtheit eine angemessene Harmonie ergebe. Davon auszugehen, dass er deshalb quasi die Allmacht über die Truppe habe, sei allerdings falsch. «Viele technische Details müssen von den Akteuren immer wieder neu geregelt werden. Die Komponisten komponieren, aber bis ins Detail umsetzen müssen die Musiker. Deshalb ziehen sich die einzelnen Unterabteilungen immer wieder zu Beratung zurück.» Der Dirigent berücksichtige die Umsetzungsideen der Unterabteilungen und versuche, die ganze Mannschaft auf einen gemeinsamen Nenner einzustimmen. Dabei müsse er allerdings «klare Kante» zeigen; also deutlich aufzeigen und durchsetzen, wo das Team als ganzer Klangkörper entlangzugehen habe.
Die kleinen grossen Unterschiede
Tönt das nicht wie in der Wirtschaft Die Mitarbeiter einbeziehen, dann aber selber entscheiden und Verantwortung übernehmen? Einen entscheidenden grösseren Unterschied gibt es allerdings: Im Orchester stehen sinnliche Entscheidungsfaktoren im Vordergrund, in der Wirtschaft Zahlen und Trends. Einen interes- santen Aspekt habe Karajan immer wieder betont: Man müsse wissen, wann man als Dirigent «das Orchester nicht stören dürfe». Jedes Konzert habe seine eigene Dynamik, die Resultate liessen sich nicht vergleichen. Hingegen drücke sich der Erfolg in wirtschaftlichen Organisationen immer in Zahlen aus, sollte sich ohne Unterlass dauernd messbar und positiv entwickeln. In Kurven statt Noten, könnte man sagen. Aber es gibt die Ähnlichkeiten: Geforderte 100% Loyalität, Präzisionsarbeit, die Abfolge von Spannung/Entspannung, laut und leise; das Publikum interessiert sich nicht bezüglich der Resultate von gestern, es will einfach immer «das Beste» in Sachen Gegenwert. Und: Auch Dirigenten können aufbrausend sein …