Unsicherheit mit der EU schadet der Patientenversorgung in der Schweiz
Zug (01.07.2019) Die Unsicherheiten aus dem derzeitigen Powerplay zwischen der EU und der Schweiz gefährden auch die Versorgung der Schweizer Bevölkerung mit Arzneimitteln und Medizintechnik. Denn auf dem Spiel stehen auch Abkommen mit der EU, deren Fortbestand über den Marktzugang für die Schweiz entscheiden.
Der Rahmenvertrag mit der EU wurde von der Schweiz bisher nicht unterzeichnet. Die EU verwehrte der Schweiz darauf die Börsenäquivalenz. Nun hat der Bundesrat auf 1.7.2019 Retorsionsmassnahmen gegen die EU in Kraft gesetzt. Auch die Schweiz verweigert ab sofort den EU-Börsen die Äquivalenz.
Eine geordnete und positive wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der EU bedeutet für die Schweiz mit einem Gesamt-Exportvolumen in die EU von CHF 120 Mrd. sehr viel. Die Schweiz profitiert im Vergleich zu allen europäischen Staaten vom EU-Binnenmarkt am meisten .
Ohne eine Einigung mit der EU zum bilateralen Verhältnis, ist auch das Abkommen über die technischen Handelshemmnisse («Mutual Recognition Agreement», MRA) und damit der gegenseitige Marktzugang in Gefahr. Mit dem MRA ist heute sichergestellt, dass die für Industrieprodukte notwendigen Zertifizierungs- und Zulassungsprozesse gegenseitig anerkannt werden. Das Abkommen garantiert den Wirtschaftsakteuren in 20 Produktebereichen den Marktzugang zum Europäischen Binnenmarkt wie den Konkurrenten aus der EU.
In der Pharma- und Medizintechnikbranche sind u.a. die Medizinprodukte, die gute Laborpraxis, die Inspektion der guten Herstellungspraxis für Arzneimittel sowie die Zertifizierung der Chargen betroffen. Die in der Schweiz tätigen Pharma- und Medtechfirmen sind durch die Unsicherheiten im Verhältnis mit der EU beunruhigt. Denn die aktuelle Rechtsunsicherheit beeinträchtigt die Planungssicherheit und die Versorgung der Patientinnen und Patienten mit wichtigen Arzneimitteln und Medizinprodukten. Für die Medizinprodukte-Branche ist die Anpassung des MRA zwingend, um die gegenseitige Anerkennung in der Zulassung und den Anschluss an die Europäische Datenbank zu gewährleisten.
Ein Wegfall des MRA wäre mit einem grossen Zusatzaufwand für die Firmen verbunden. Dies beeinträchtigt die Versorgung der Patientinnen und Patienten, schwächt die Konkurrenzfähigkeit unserer Industrie und erhöht die Kosten der Produkte. Schon heute fehlen in der Schweiz fast 600 Medikamente, darunter auch lebenswichtige. Eine Verschärfung dieser Situation gilt es zu verhindern.
Kündigungsinitiative bedroht Medikamentenversorgung
Das Stimmvolk muss bald über die Kündigungsinitiative befinden, die den Wegfall der Personenfreizügigkeit verlangt. Diese Initiative wird vom Bundesrat ohne Gegenvorschlag abgelehnt. Ob die Abstimmung vor oder nach der Unterzeichnung des Rahmenabkommens stattfinden soll, ist offen.
Für ein exportorientiertes Land wie der Schweiz wäre der Wegfall der bilateralen Verträge fatal, wie er als Folge der Kündigungsinitiative zu befürchten wäre. Die EU ist der wichtigste Absatzmarkt der Schweiz. Stabilität und Sicherheit des Schweizer Wirtschaftsraums sind zentrale Standortfaktoren und die Schweiz profitiert sehr vom Europäischen Binnenmarkt. Die Beziehungen mit der EU sind demzufolge rasch zu klären.
Weitere Informationen
Marcel Plattner, Präsident, Mobile 079 469 92 68
Ernst Niemack, Geschäftsführer, Mobile 078 646 80 30
1) Zu diesem Ergebnis kommt eine am 7. Mai 2019 veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung „Ökonomische Effekte des EU-Binnenmarktes in Europas Ländern und Regionen“ von Prof. Dr. Giordano Mion, University of Sussex, Dr. Dominic Ponattu, Bertelsmann Stiftung, https://www.bertelsmannstiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/EZ_Zusammenfassung_Binnenmarkt.pdf