Versorgungssicherheit in der Schweiz ungenügend
In den letzten Monaten und Jahren haben die Versorgungslücken bei den Medikamenten stark zugenommen. Es sind sowohl lebenswichtige Medikamente als auch Produkte in der Grundversorgung betroffen. Ohne wirksame Gegenmassnahmen wird sich die Situation weiter verschärfen.
Viele bisher tödlich verlaufende Krankheiten sind heute heilbar. Lebenserwartung und Lebensqualität der Menschen steigen. Durch den Einsatz von Arzneimitteln kann viel Leid verhindert werden. Weil die Rahmenbedingungen unzureichend sind, gibt es jedoch bei der Versorgung mit Medikamenten permanent Engpässe. Die Versorgungssicherheit lässt sich nicht gesetzlich verordnen, es braucht wirtschaftliche Anreize im Gesundheitssystem. Nur mit einer geschickten Regulierung lässt sich die lückenlose Versorgung aller Patientinnen und Patienten sicherstellen.
Versorgungssicherheit – Patientensicherheit
Die Vereinigung Pharmafirmen in der Schweiz vips ist besorgt über die Zunahme der Medikamentenengpässe. Für den Branchenverband ist klar – die Leidtragenden dieser Situation sind die Patienten, weil ihre Therapien und Heilungschancen gefährdet sind. Lieferengpässe sind besonders für chronisch kranke Patienten problematisch. Bei ihnen erhöht ein Wechsel oder ein Ausbleiben der Medikation das Risiko einer Verschlechterung der Beschwerden. Die Therapietreue ist in Gefahr, ebenso darf das Risiko von Nebenwirkungen nicht unterschätzt werden. Es entstehen Zusatzkosten, was den Bemühungen zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen zuwiderläuft. Kurzum – das Wohl der Patienten steht auf dem Spiel.
Verschärfung der Situation
Die Website www.drugshortage.ch trackt das Problem der Lieferengpässe. Es zeigt sich der Trend, dass vor allem gut etablierte, günstige Medikamente betroffen sind. Aber auch im hoch innovativen Bereich – unter anderem bei den seltenen Krankheiten – stehen im Vergleich zum nahen Ausland weniger als die Hälfte der Produkte zur Verfügung. Die Globalisierung scheint den Trend noch zu verstärken, infolge des Brexits kann sich die Situation weiter verschärfen. Dies gilt sowohl für Arzneimittel als auch für Medizinprodukte.
Ursachen und Auswirkungen
Es gibt nicht nur einen Grund für die prekäre Situation, jedoch sind Ursachen, die einen irreversiblen Schaden anrichten, höher zu gewichten. Beispiele dafür sind hohe Zulassungsanforderungen oder Preissenkungen bei Medikamenten. Letztere dürfen nicht so weit gehen, dass die Produkte in der Schweiz aus Rentabilitätsgründen nicht mehr verfügbar sind. Weiterentwicklungen von bewährten Produkten werden durch das Tiefpreisdiktat – getrieben durch das Referenzpreissystem – faktisch verunmöglicht und es kommt zu einer Ausdünnung des Angebotes. Generikaeinführungen werden verhindert – für rund 1/3 der Medikamentenpackungen gibt es keine Generika, obwohl dies möglich wäre. Für die Hersteller fehlen die Anreize, weniger profitable Medikamente herzustellen.
Die Auswirkungen der Versorgungslücken sind vielfältig:
- Unsicherheit der Marktteilnehmer
- Patienten ohne lebensnotwendige Therapie
- Therapieumstellungen, dadurch Fragen betreffend Verträglichkeit und Compliance und Zusatzkosten für das System aufgrund längerer Therapiedauer, mehr Arztbesuchen, zusätzlicher Spitalaufenthalte oder Arbeitsausfällen
- Administrativer Mehraufwand für die Leistungserbringer
- Ausnahmebewilligung für Auslandsware zur Überbrückung
- Imageschaden
- Forderung nach Pflichtlagern – Vergütung der höheren Kosten
Bei Knappheit gibt es eine Zuteilung in die verschiedenen Märkte. Deshalb ist es zwingend, dass gute Rahmenbedingungen vorliegen. In der Schweiz ist die Qualität im Gesundheitswesen sehr hoch und diese Top Positionierung im weltweiten Vergleich darf nicht aufs Spiel gesetzt werden.
Lösungsansätze
Nebst der Pharmaindustrie stehen die Leistungserbringer und hier vor allem die Spitäler, das Bundesamt für Gesundheit, die Swissmedic sowie das Bundesamt für Landesversorgung in der Verantwortung. Ein Lösungsansatz ist nur mit allen Beteiligten möglich. Die vips engagiert sich in verschiedenen Gremien mit ihren Mitgliederfirmen. Sie verfolgt Lösungsansätze wie die Schaffung einer attraktiven Sonderregelung für versorgungskritische Produkte, Stärkung der Rahmenbedingungen für niedrig preisige Produkte in der Grundversorgung, Schaffung von Anreizen für lokale oder regionale Produktionen (CH/Europa), den Aufbau von Lagerkapazitäten auf allen Ebenen (Produzent – Grossist – Spital – Apotheken), die Honorierung von Pflichtlagern, Bonifizierung von Lieferfähigkeit, Erstellung eines offiziellen Meldesystems, Zulassungserleichterung für Produkte oder Professionalisierung und Digitalisierung der Liefer- und Planungskette. Zur Finanzierung griffiger Massnahmen können die Einnahmen aus der Einführung der VITH – Integrität und Transparenz im Heilmittelbereich optimal eingesetzt werden. Die Pharmaindustrie ist sich ihrer Verantwortung bewusst und setzt alles daran, die Versorgung im Sinne des Patientenwohls aufrecht zu erhalten.
Weitere Informationen
Marcel Plattner, Präsident, 079 469 92 68
Ernst Niemack, Geschäftsführer, 078 646 80 30